Cover
Titel
Slowenische Geschichte. Gesellschaft - Politik - Kultur


Autor(en)
Štih, Peter; Simoniti, Vasko; Vodopivec, Peter
Erschienen
Graz 2008: Leykam
Anzahl Seiten
S. 559
Preis
€ 39,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Klaus-Jürgen Hermanik, Universität Graz

Der Einband des Buches suggeriert die Grundhaltung dieses als historisches Überblickswerk angelegten Buches: Ihm wurde ein ganzseitiges, knalliges Weiß-Blau-Rot unterlegt – da es erstaunlicherweise ohne das Triglavemblem abgebildet wurde, könnte man dabei auch an die russische Fahne denken – und dies bedeutet symbolisch, dass es hier vor allem um die Geschichte der slawischen Bevölkerung in diesem Raum geht.1

Im Ganzen haben die drei Autoren 15 Jahre an der Herausgabe dieses Bandes gearbeitet, wobei die „Geschichte Sloweniens bis zur Aufklärung“ der beiden Autoren Peter Štih und Vasko Simoniti in slowenischer Sprache bereits 1995 vorgelegt wurde.2 Peter Vodopivec setzte dieses Vorhaben fort und im Jahr 2006 erschien, ebenfalls in slowenischer Sprache, die Geschichtsbetrachtung vom 18. bis zum Ende des 20. Jahrhunderts.3 Von der historischen Landeskommission für Steiermark, die ihren Sitz in Graz hat, wurde danach angeregt, eine überarbeitete deutschsprachige Fassung herauszubringen: Am 13. Februar dieses Jahres wurde das Buch in Graz der Öffentlichkeit vorgestellt.

Die Gliederung des Werks erfolgt chronologisch nach den oben bereits angeführten Schwerpunkten der drei Autoren: Peter Štih beschreibt den Teil von der Urgeschichte bis zum 15. Jahrhundert; danach folgen Vasko Simoniti bis zum 18. Jahrhundert und Peter Vodopivec bis zu den slowenischen Parlamentswahlen im Oktober 2004. Obwohl der Band ein Vorwort enthält, wird kaum etwas Explizites über die Grundkonzeption dieses Werkes ausgesagt. Die wissenschaftliche Verortung unter „Slowenische Geschichte“ schränkt die drei Autoren mitunter sehr ein, denn sie müssen immer wieder zu Formulierungen greifen wie etwa „im slowenischen Raum“ oder „auf dem Gebiet des heutigen Slowenien“ und es schwingt während der Lektüre des Textes die Frage mit, warum man gegenwärtig ein vor allem auf die slawische Bevölkerung fokussiertes slowenisches Geschichtsnarrativ benutzt, obwohl in den Geschichts- und Kulturwissenschaften vielfach die „Überwindung von vorkonstruierten Nationen“ (im Sinne Pierre Bourdieus) erfahrbar ist und wie beispielsweise bei Rogers Brubaker auch praktiziert wird: „The alternative to a substantialist understanding of ethnic groups and nations as bounded entities, collective individuals and self- conscious actors is not an asocial idiom of individual choice, but rather a relational, processual and dynamic understanding of ethnicity and ‚nation’.“ 4 Mag sein, dass die Begründung darin zu suchen ist, dass die slowenische Erstausgabe der ersten beiden Teile bereits vor nunmehr 13 Jahren erschienen ist.

Zu den einzelnen Teilen des Buches: "Von der Urgeschichte bis zum Ende des Mittelalters" von Peter Štih präsentiert eine überaus reiche Faktenfülle. Durch die oben bereits angeführten Schwierigkeiten mit dem „slowenischen Raum“ fällt es ihm jedoch nicht immer leicht, die historische Abfolge der sich weit erstreckenden Provinzen, Diözesen und dergleichen herrschaftlichen Zuordnungen sowie der unterschiedlichen Ethnien, die in diesem Raum siedelten oder durchzogen, zusammenzufügen. Auf jeden Fall sollte man eher vermeiden, allein den ethnic marker Sprache zu benutzen (wie beispielsweise S. 117), um damit eine ethnisch-nationale Kategorie zu benennen, beziehungsweise um den Stellenwert des Slowenischen in vornationaler Zeit zu erhöhen.

Im Teil "Von der Frühen Neuzeit bis zu den Josephinischen Reformen" von Vasko Simoniti sind Geschichtsverläufe des ausgewählten Raumes ebenfalls mit überregionalen (Habsburger Reich, Venedig, Osmanisches Reich, Kirchenbesitzungen unterschiedlichster Diözesen) herrschaftlichen Zusammenhängen in Verbindung und dies wird sehr anschaulich dokumentiert. Im Rahmen der Geschichte von Reformation und Gegenreformation wird vor allem auch das Entstehen der slowenischen Schriftsprache entsprechend ausführlich behandelt.

Die ersten beiden Teile wurden grundsätzlich top down konzipiert und geben vor allem einen Überblick über den weltlichen und den geistlichen Adel, über die wirtschaftlichen und kulturellen Eliten (Schriftsteller, Maler, Musiker, Baumeister, etc.). Der Bauernstand kommt nur dann vor, wenn er direkt in die politische Geschichte involviert war (Bauernaufstände). Auf alltagskulturelle historische Beschreibungen, die dem Leser sowohl die vielfältigen regionalen Schattierungen des untersuchten Raumes, sei es im Adria- oder Alpenraum oder dem Pannonischen Becken, in ihren unterschiedlichen Ausprägungen, als auch das Zusammenleben, das Miteinander der unterschiedlichen Ethnien in vornationaler Zeit, skizziert hätten, wurde in beiden Teilen verzichtet.

Im Teil "Von den Anfängen des Nationalen Erwachens bis zum Beitritt in die Europäische Union" von Peter Vodopivec ist es für den Autor einfacher, das Konzept „Slowenische Geschichte“ zu erfüllen, da während des 19. Jahrhunderts die nationalen Unterschiede zur politischen Maxime erhoben wurden und sich diese nationalen Fragmentierungen bis zur Gegenwart immer mehr manifestieren konnten. Auch dieser Teil ist top down konzipiert und stellt die Abfolge der politischen Geschichte, der Wirtschaftsgeschichte und der Hochkultur in den Mittelpunkt. Der Blickwinkel ist dabei stets „aus slowenischer Sicht“: Beispielsweise bei der Beschreibung der Rolle der slowenischsprachigen Abgeordneten im Wiener Reichsrat, wobei alle anderen Abgeordneten, die ebenfalls diesen geographischen Raum vertraten, nicht berücksichtigt werden.

Die bürgerkriegsartigen Zustände in Slowenien während und die revanchistischen Gräuel nach dem Ende des II. Weltkrieges wurden vom Autor dagegen nicht verschwiegen. Für die Darstellung der Zeit der Sozialistischen Republik Slowenien im föderativen Nachkriegsjugoslawien folgt er einer ausgewogenen, eher distanzierten Darstellung. Der jugoslawische Zerfallsprozess und „die Verselbständigung“ (S. 467-505) werden dann vor allem aus dem Blickwinkel der slowenischen politischen und nationalen Interessenshaltung heraus beschrieben.

Auf jeden Fall kann man diesem Werk bescheinigen, dass es historische Grundzüge sehr faktenreich vermittelt und damit für die deutschsprachigen Leser und Leserinnen und vor allem für Studierende bestens als Nachschlagewerk geeignet ist, um sich der Geschichte dieses Raumes anzunähern.

Anmerkungen:
1 Der Name Slowenien (Slovenija im Orig.) leitet sich etymologisch von der Wortfamilie für Slawen ab.
2 Štih, Peter; Simoniti, Vasko, Slovenska zgodovina do razsvetljenstva. Ljubljana 1995.
3 Vodopivec, Peter, Od Pohlovine slovnice do samostojne države: slovenska zgodovina od konca 18. stoletja do konca 20. stoletja. Ljubljana 2006.
4 Brubaker, Rogers u.a., Nationalist Politics and Everyday Ethnicity in a Transsylvanian Town. Princeton-Oxford 2006, S. 10.

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